Visionen und Herausforderungen

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Seit ihrem Inkrafttreten im Jahr 1920 enthält die österreichische Bundesverfassung mit dem Gleichheitsgrundsatz das ausdrückliche Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.

Trotzdem sind Frauen faktisch immer noch benachteiligt: Immer noch gibt es keine Chancengleichheit im Beruf, immer noch ist „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ eine unerfüllte Forderung, immer noch haben viele Frauen keine eigene Pension und ist die Armut weiblich.

Die Frauen in den 1970er Jahren zeigten auf, dass diese Benachteiligung in Zusammenhang steht mit den Strukturen der Gesellschaft, mit den traditionellen Rollenbildern und der damit zusammenhängenden geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung.

Von 1918 bis 1934 war diesbezüglich schon Pionierarbeit geleistet worden: neue Konzepte für berufstätige Frauen, neue Erziehungsmethoden und Kinderbetreuung, kreative, revolutionäre Ideen in der Architektur. So entstand auf Initiative von Auguste Fickert 1911 in der Peter-Jordan-Straße der erste „Heimhof“ für berufstätige Frauen – mit Zentralküche, Bibliothek und Gemeinschaftsraum und der Grundidee, Hausarbeit zu sozialisieren.

Mit Johanna Dohnal ist der größte Reformschub bezüglich Frauenrechten in der Zweiten Republik verbunden: Einführung der Fristenregelung, Beseitigung der Amtsvormundschaft bei ledigen Müttern, Recht zur Betretungsverweigerung bei Gewalt in der Ehe, gesetzliches Verbot der sexuellen Belästigung, Gleichbehandlungsgesetz für den öffentlichen Dienst, Frauenquote an Universitäten und in Ministerien.

Doch bis heute sind die Bereiche der Haus-, Pflege- und Betreuungsarbeit und jene des Produzierens und Verwaltens weitgehend geschlechtsspezifisch zugeordnet und hierarchisiert. Dies ist nicht nur Grundlage für die Benachteiligung der Frauen, sondern auch für eine Wirtschaftsweise, die Mensch und Natur ausbeutet und die natürlichen Lebensgrundlagen zerstört.

Was Frauen bis heute vorenthalten wird, ist politische Macht. Die großen politischen, wirtschaftlichen, kulturellen Entscheidungen werden immer noch woanders gefällt, in den Männergremien, in die Frauen selten oder gar nicht Zutritt finden. Und doch kämpfen Frauen auf der ganzen Welt für Frieden, für Ernährungssouveränität, für nachhaltiges und solidarisches Wirtschaften, für ein gutes Leben für alle.

„Ich denke, es ist Zeit, daran zu erinnern: Die Vision des Feminismus ist nicht eine ‚weibliche Zukunft‘. Es ist eine menschliche Zukunft.“ (Johanna Dohnal)


Auguste Fickert (1855-1910)
Frauenrechtlerin, Sozialreformerin

Auguste Fickert war Volksschullehrerin, als sie 1889 die erste Kampagne für das Frauenwahlrecht startete. 1893 Mitbegründerin des Allgemeinen österreichischen Frauenvereins, der wesentlich zur politischen und rechtlichen Gleichstellung der Frauen beitrug. Sie setzte sich für die rechtliche Unterstützung von Frauen und die Bildung von Berufsvertretungen ein, und sie erreichte die Zulassung von Frauen zum Studium. Sie gründete mehrere Zeitungen, unter anderem „Dokumente der Frauen“ und „Neues Frauenleben“. Zuletzt widmete sie sich dem Aufbau der Bau- und Siedlungsgenossenschaft Heimhof, die berufstätigen Frauen Wohnmöglichkeit schaffen sollte. Sie wohnte in Währing. Im Türkenschanzpark ist ihr ein Denkmal gewidmet.


Bertha von Suttner (1843-1914)
Schriftstellerin, Pazifistin

Bertha von Suttner wuchs im aristokratischen und militaristischen Umfeld der österreichisch-ungarischen Monarchie auf. 1877 begann sie als Journalistin zu arbeiten und verschrieb sich zunehmend dem Pazifismus. 1889 erschien ihr Roman „Die Waffen nieder“, der sie zu einer der prominentesten Vertreterinnen der Friedensbewegung machte. 1890 Gründung der Österreichischen Friedensgesellschaft, 1902 Vorsitz des Bundes österreichischer Frauenvereine, Vertretung Österreichs auf Weltfriedenskongressen. 1905 erhielt sie als erste Frau den von ihr initiierten Friedensnobelpreis. Sie starb 1914 kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs.


Rosa Mayreder (1858-1938)
Schriftstellerin, Frauenrechtlerin

Rosa Mayreder betätigte sich von Jugend an als Malerin und Schriftstellerin. Sie liebte die Wissenschaft und kämpfte darum, dass auch Frauen höhere Bildung zugänglich wurde. Sie galt als radikale Exponentin des linken Flügels der bürgerlichen Frauenbewegung, war Mitgründerin des Allgemeinen Österreichischen Frauenvereins, Mitherausgeberin der „Dokumente der Frauen“ und engagierte sich in der österreichischen Friedensbewegung. Außerdem war sie scharfsinnige Essayistin, die in Werken wie „Zur Kritik der Weiblichkeit“ und „Geschlecht und Kultur“ den wissenschaftlich verbrämten Frauenhass vieler Zeitgenossen als Männerphantasien entlarvte und soziologische und sexualpsychologische Grundlagen der Frauenforschung schuf.


Johanna Dohnal (1939-2010)
Politikerin

Johanna Dohnal, zunächst für die SPÖ im Gemeinderat, war ab 1979 Staatssekretärin für allgemeine Frauenfragen und 1990 bis 1995 erste Frauenministerin Österreichs. Mit ihrem Namen ist der größte Reformschub bezüglich Frauenrechten in der Zweiten Republik verbunden: Einführung der Fristenregelung, Beseitigung der Amtsvormundschaft bei ledigen Müttern, Recht zur Betretungsverweigerung bei Gewalt in der Ehe, gesetzliches Verbot der sexuellen Belästigung, Gleichbehandlungsgesetz für den öffentlichen Dienst, Frauenquote an Universitäten und in Ministerien. Immer umstritten, wurden ihre Politik und ihre Person vor allem mit der konservativen Wende Mitte der 1990er Jahre Gegenstand scharfer Kontroversen.
„Aus taktischen Gründen leise zu treten, hat sich noch immer als Fehler erwiesen.“