Berufszugang

berufszugang

Die Frauenbewegung kämpfte um Zugang zu beruflicher Tätigkeit und Ausbildung, um Selbstständigkeit und Unabhängigkeit.

Im 19. Jahrhundert war Frauen der Zugang zu den meisten bürgerlichen Berufen verwehrt. Die Bestimmung der Frau wurde im Privaten, als Ehefrau und Mutter gesehen. Unverheirateten Frauen blieb Gouvernante als möglicher Beruf, oder sie waren auf „Gnadenbrot“ von Verwandten angewiesen.

Der Wiener Frauenerwerbsverein eröffnete 1868 eine Handelsschule, der Wiener Hausfrauen-Verein gründete eine Dienstmädchen- und Haushaltungsschule, es gab einen Schulverein für Beamtentöchter und die Erste Bildungsanstalt für Kindergärtnerinnen in Wien. Schrittweise erweiterten sich die Berufsmöglichkeiten. Einige davon, zum Beispiel Lehrerin oder Telegrafistin, blieben allerdings verheirateten Frauen verboten.

Um die Jahrhundertwende arbeiteten in der Stadt 36% der berufstätigen Frauen als Dienstbotin, 40% in der Industrie, 17% im Handel, 6% im öffentlichen Dienst. Die Arbeitsbedingungen waren schlecht, die Löhne halb so hoch wie jene der Männer. 1893 streikten die Textilarbeiterinnen und erkämpften 10-Stunden-Tag und Mindestlohn. Die Frauen begannen sich zu organisieren: Zum Verein der Lehrerinnen und Erzieherinnen und dem der Postbeamtinnen kamen der Verband der Hausgehilfinnen und die Vereinigung der arbeitenden Frauen. 1919 zog mit Anna Boschek die erste Gewerkschafterin ins Parlament ein.

Die Zwischenkriegszeit brachte auch für die arbeitenden Frauen sozial- und arbeitsrechtliche Meilensteine. So wurden zum Beispiel 1929 Bedienerinnen und Wäscherinnen in die Sozialversicherung einbezogen, die Beschäftigung hochschwangerer Frauen in Steinbrüchen und Schottergruben verboten. Die Einführung von Schreibmaschine, Telefon und Stenographie ließ den Anteil von berufstätigen Frauen steigen.

Der Faschismus stilisierte die „arische“ Frau als Hausfrau und Mutter, gleichzeitig erforderte die Kriegswirtschaft die Arbeit der Frauen in Fabriken und Rüstungsbetrieben. Millionen „Nicht-Arierinnen“ wurden als Zwangsarbeiterinnen verschleppt, Unzählige in Konzentrationslagern ermordet.

Nach 1945 blieben den „Trümmerfrauen“ die Last des Wiederaufbaus und das wiederbelebte alte Rollenbild. Bis in die 1970er Jahre konnten verheiratete Frauen nur mit Erlaubnis ihres Mannes berufstätig sein.

Erst ab dieser Zeit wurden, vor allem durch Johanna Dohnal, Meilensteine in Richtung Gleichberechtigung gesetzt. 1970 wurde die erste Frau Straßenbahnfahrerin in Wien. Nach und nach erhielten Frauen Zugang zu Flugsicherung, Gendarmerie und Polizei. 1979 verbot das Gleichbehandlungsgesetz die Benachteiligung bei Entlohnung und damit auch die getrennten Männer- und Frauenlöhne in den Kollektivverträgen. 1990 wurde die Väterkarenz eingeführt.

Seit damals steigt die Erwerbsquote der Frauen kontinuierlich an.  Nach wie vor sind Frauen jedoch häufig in Niedriglohnbranchen und typischen Frauenberufen tätig und vergleichsweise selten in leitenden Positionen. Der Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern verringert sich kaum; aktuell ist er mit über 23% der zweithöchste in der EU.

„…denn wir sind der Meinung, daß es ganz unmöglich ist, daß eine Frau den Mutterberuf voll erfüllen und zugleich auch der Schule voll gerecht werden kann. Wohl kann sie aber jederzeit heiraten und meinetwegen einen Lehrer glücklich machen, auf daß der seinen Beruf tadellos und einwandfrei erfüllen kann.“ (Diskussion um Lehrerinnenzölibat, 1922)


Anna Boschek (© Wienbibliothek im Rathaus)
Anna Boschek (© Wienbibliothek im Rathaus)

Anna Boschek (1874-1957)
Politikerin, Gewerkschafterin

Anna Boschek musste nach dem Tod ihres Vaters schon mit 9 Jahren arbeiten. Früh wurde sie Mitglied der sozialdemokratischen Partei und war 1893 eine von drei weiblichen Delegierten am ersten österreichischen Gewerkschaftskongress. Dort setzte sie die Aufhebung der Aufnahmebeschränkungen für Frauen in den Gewerkschaften durch. 1919 wurde sie als erste Gewerkschafterin Abgeordnete zum Nationalrat. Sie war maßgeblich an den sozialpolitischen Gesetzen der nächsten Jahre und den frauenpolitischen Aktivitäten von Gewerkschaften, Arbeiterkammer und Sozialdemokratischer Partei beteiligt. 1934 wurde sie verhaftet und stand bis 1945 unter ständiger Polizeiaufsicht.


Hildegard Burjan (© ÖNB/ Bildarchiv)
Hildegard Burjan (© ÖNB/ Bildarchiv)

Hildegard Burjan (1883-1933)
Politikerin

Hildegard Burjan konvertierte nach Überwindung einer schweren Krankheit durch die Pflege christlicher Schwestern zum katholischen Glauben. 1912 gründete sie den „Verband christlicher Heimarbeiterinnen“, 1918 den Verein „Soziale Hilfe“ und 1919 die Caritas Socialis.
1919 wurde sie einzige weibliche Abgeordnete der Christlichsozialen im Nationalrat. „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ zählte zu ihren wichtigsten politischen Forderungen. Sie wirkte an der Neubildung der österreichischen Bahnhofsmission mit, errichtete Mittelstandsküchen, ein Heim für ledige Mütter sowie eine Ausgabestelle für kostenlose Kleidung. Damit war sie Wegbereiterin moderner Sozialarbeit. Sie wurde 2012 von der katholischen Kirche selig gesprochen.


Käthe Leichter (1895-1942)
Staatswissenschafterin, Politikerin

Käthe Leichter war 1918 vermutlich die erste Österreicherin, die zum Doktor der Staatswissenschaften promoviert wurde – in Heidelberg, da dies in Wien als Frau noch nicht möglich war. Ab 1919 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Staatskommission für Sozialisierung und im Finanzministerium. 1925 übernahm sie den Aufbau des Frauenreferats in der Wiener Arbeiterkammer. Nach der Zerschlagung der Sozialdemokratie durch die austrofaschistische Regierung 1934 arbeiteten sie und ihr Mann im Untergrund weiter. Ihr Haus wurde Treffpunkt für Funktionäre der verfolgten Arbeiterbewegung. Ihr Mann und ihre Kinder konnten 1938 flüchten. Sie selbst wurde verhaftet und 1942 im KZ-Ravensbrück ermordet.


Franziska Fast (1925-2003)
Metallarbeiterin, Politikerin, Volksanwältin

Franziska Fast begann als angelernte Emailliererin bei der Firma Austria-Email-EHT AG, wo sie bald zur Betriebsratsobfrau gewählt und dann zur Sekretärin der Gewerkschaft Metall-Bergbau-Energie bestellt wurde. Von 1973 bis 1979 war sie SPÖ-Gemeinderätin, ab 1979 Staatssekretärin im Ministerium für soziale Verwaltung in der Regierung Kreisky und von 1983 bis 1989 Volksanwältin. Sie engagierte sich zeitlebens für die sozial Schwächeren, insbesondere alleinstehende Mütter und deren Kinder. 1991 wurde sie Vorsitzende der Volkshilfe, wo sie unter anderem die Fachstelle für Wohnungssicherung gründete.


Iduna Laube (1808-1879)
Frauenrechtlerin

Iduna Laube, ein „Feuergeist voll Tatkraft und Beharrlichkeit“, führte 1850 in Wien zunächst einen Literatursalon als Treffpunkt fortschrittlicher Kräfte. Daraus gründete sie 1866 den Wiener Frauenerwerbsverein, die erste große wirtschaftliche Frauenorganisation Österreichs, die von karitativen Zwecken absah und sich stattdessen für bessere Bildungs- und Erwerbsmöglichkeiten von Frauen einsetzte – beispielsweise mit der Gründung einer Handelsschule und vielfältigen Kursangeboten. Binnen kurzem wurden nach diesem Vorbild Frauenerwerbsvereine in Brünn, Prag, Salzburg, Klagenfurt, usw. gegründet, die österreichische Frauenbewegung nahm ihren Anfang.


Margarethe Ottilinger (1919-1992)
Ökonomin

Margarethe Ottilinger war Doktor der Ökonomie und arbeitete während des Zweiten Weltkriegs in der „Reichsvereinigung Südost der Reichsvereinigung Eisen“. Nach dem Krieg wurde sie mit 27 Jahren Sektionsleiterin im Ministerium für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung. 1948 wurde sie von den Sowjets verhaftet und wegen angeblicher Spionage zu 25 Jahren Lagerhaft verurteilt, 1955 freigelassen und rehabilitiert. Nach ihrer Rückkehr war sie in der Verstaatlichten Industrie tätig und wurde erste Vorstandsdirektorin der ÖMV. Daneben engagierte sie sich unter anderem für die Errichtung des Afro-Asiatischen Instituts und den Bau der Wotruba-Kirche.