Wissenschaft und Kunst

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Lange wurden künstlerische und wissenschaftliche Leistungen von Frauen ignoriert oder von ihren Kollegen vereinnahmt. Frauen hatten Anteil an Erfindungen, Entdeckungen und Kunstwerken, doch kaum dieselbe Anerkennung wie die beteiligten Männer.

So war die Physikerin Lise Meitner Mitentdeckerin der Kernspaltung, sie erhielt dafür allerdings – im Gegensatz zu ihrem Kollegen Otto Hahn – nie den Nobelpreis. Wissenschaft war Männerdomäne, und gleichzeitig wurde vor allem in der Medizin jahrhundertealtes Wissen der Frauen verdrängt.

Mehr als 500 Jahre nach Gründung der Universität Wien promovierte 1897 mit der Medizinerin Gabriele Possanner die erste Frau. Die erste habilitierte Frau war 1905 die Romanistin Elise Richter. Erst 2008 wurde an der Universität für Bodenkultur Wien die erste Rektorin Österreichs gewählt. 2010 und 2011 folgten vier weitere Rektorinnen. 2011 lehrten an den österreichischen Universitäten 14% Frauen.

Die erste Frauenbewegung forcierte auch die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Geschlechterfrage. Rosa Mayreder lieferte wichtige Analysen, Helene Deutsch, eine Schülerin Sigmund Freuds, setzte sich mit der “Psychologie der Frau” auseinander, Käthe Leichter baute das Frauenreferat der Arbeiterkammer auf. Nach Faschismus und Nachkriegszeit erlebte frauenspezifische Wissenschaft erst in den 1970er Jahren neuen Aufschwung. Der erste Lehrstuhl für Frauenforschung wurde 1988 an der Universität Innsbruck eingerichtet.

In der Kunst wurden Frauen als Sängerinnen, Tänzerinnen und Schauspielerinnen gefeiert; andere Bereiche blieben bis ins 20. Jahrhundert weitgehend Männern vorbehalten. So hatten Frauen keinen Zugang zu Kunstschulen oder Fotografieausbildung wegen angeblicher Gefährdung ihrer “Sittlichkeit”. 1897 gründeten Rosa Mayreder und die Malerin Olga Prader deshalb eine eigene Kunstschule für Mädchen und Frauen.

Der geistige Aufbruch der 1920er Jahre bot auch in der Kunst neue Entfaltungsmöglichkeiten: Stella Kadmon eröffnete die erste Kleinkunstbühne in Wien, Künstlerinnen wie Mme d’Ora und Trude Fleischmann machten sich in der Fotografie einen Namen, Margarete Schütte-Lihotzky in der Architektur. Wieder aufgenommen wurde diese Entwicklung mit der zweiten Frauenbewegung in den 1970er Jahren. Frauen schufen sich eigene Räume: Frauenkunst, Frauenverlage, Frauenbuchläden. 1981 wurde das „Zentrum kulturschaffender Frauen – Verein Drachengasse“ gegründet. Wichtige Künstlerinnen dieser Zeit sind Ingeborg Bachmann, Valie Export, Elfriede Jelinek.

1978 war Angelika Hurwicz die erste Regisseurin am Burgtheater. 1958 führte mit Margarethe Wallmann erstmals eine Frau Regie an der Staatsoper, 1993 war Simone Young erste Dirigentin. Seit 1997 sind Frauen bei den Wiener Philharmonikern zugelassen.

„Was wir über Erfahrungen von Frauen in der Vergangenheit wissen, wissen wir weitgehend durch die Gedanken von Männern. Nur eine Geschichte, die davon ausgeht, dass Frauen zu allen Zeiten für die Geschichte von entscheidender Bedeutung gewesen, und dass Männer und Frauen das Maß der Bewertung sind, wird wahrlich eine Universalgeschichte sein.“ (Gerda Lerner)


Ella Briggs (1880-1977)
Architektin

Ella Briggs studierte zunächst Malerei, da ihr als Frau das Architekturstudium verboten war. Erst 1919 konnte sie das Fach Hochbau abschließen. Nach einem USA-Aufenthalt wurde sie 1921 als erste Frau Mitglied des Österreichischen Ingenieur- und Architektenvereins und war die erste befugte Architektin Österreichs. In Wien errichtete sie den Pestalozzihof, dessen Hauptfront zum Währinger Park gerichtet ist. 1930-1933 lebte sie in Berlin, wo sie einige Siedlungen und Wohnbauten errichtete. Als Jüdin musste sie vor den Nazis vorläufig zurück nach Wien fliehen. 1936 wanderte sie nach England aus, 1947 erhielt sie die britische Staatsbürgerschaft. In London eröffnete sie ein Büro, in dem sie bis zu ihrem Tod arbeitete.


Anna Freud (1895-1982)
Psychoanalytikerin

Anna war das jüngste Kind Sigmund Freuds. Von Beruf Lehrerin, galt ihr Interesse immer der Psychoanalyse. Für ihren Vater war sie Sekretärin, Assistentin, organisierte seine Auftritte und vertrat ihn auf Kongressen. 1938, nach dem Anschluss Österreichs, emigrierte sie mit ihren Eltern nach London. Sie gilt als Mitbegründerin der Kinderanalyse und machte die von ihr gegründete Hampstead-Klinik für Kriegskinder und Kriegswaisen zu einem international renommierten Lehrinstitut für Kindertherapie. Sie entwickelte ein Kinderbetreuungskonzept, das Pädagogik und Psychoanalyse verbindet. Der nach ihr benannte Anna-Freud-Kindergarten befindet sich in Gersthof.


Tina Blau (1845-1916)
Malerin

Tina Blau begann ihre Karriere 1868 mit der Teilnahme an der Eröffnungsausstellung des Wiener „Künstlerhauses“. Es folgten Studienaufenthalte in München, Ungarn, Holland und Italien. Nach ihrer Rückkehr nach Wien gründete sie 1897 zusammen mit Olga Prager, Rosa Mayreder und Karl Federn die Wiener Kunstschule für Frauen und Mädchen, an der sie von 1898 bis 1915 Landschaft und Stillleben unterrichtete. Sie machte sich als eine der ersten Frauen in der Malerei einen Namen und war eine der wichtigsten Exponenten der österreichischen Malerei des 19. Jahrhunderts.


Marie Jahoda (1907-2001)
Sozialpsychologin

Marie Jahoda engagierte sich seit ihrer Jugend für die Arbeiterbewegung. Gemeinsam mit Paul Felix Lazarsfeld und Hans Zeisel verfasste sie 1932 die berühmte sozialpsychologische Studie Die Arbeitslosen von Marienthal. Neben ihrer Forschungstätigkeit war sie für die revolutionären Sozialisten im Untergrund aktiv, wurde 1936 verhaftet und musste unter Aberkennung der Staatsbürgerschaft das Land verlassen. Sie emigrierte nach England und später in die USA. 1965 erhielt sie an der Universität Sussex als erste Frau in England einen Lehrstuhl für Sozialpsychologie.


Ingeborg Bachmann (1926-1973)
Lyrikerin, Schriftstellerin

Ingeborg Bachmann fing schon in jungen Jahren an zu schreiben. Während ihrer Studienjahre lernte sie Paul Celan, Ilse Aichinger und Klaus Demus kennen. Sie arbeitete als Hörfunkredakteurin beim Sender Rot-Weiß-Rot, als Dramaturgin beim Bayerischen Fernsehen und war erste Dozentin für Poetik an der Goethe-Universität in Frankfurt. Als freie Schriftstellerin veröffentlichte sie Gedichtbände, Hörspiele, Erzählungen und Romane. Viele ihrer explizit aus weiblicher Perspektive erzählten Werke zählen zu den frühesten feministischen Äußerungen der deutschsprachigen Literatur der Nachkriegszeit. Sie erhielt zahlreiche internationale Auszeichnungen.


Gerda Lerner (1920-2013)
Historikerin, Pionierin der Women’s History

Gerda Lerner war Jüdin und Antifaschistin. 1938 musste sie aus Wien in die USA emigrieren. Sie war die erste Historikerin, die über ein frauengeschichtliches Thema promovierte. 1966 wurde sie Mitgründerin der National Organization for Women, der heute größten feministischen Organisation in den USA. Ihre Studien „Black Women in White America“ und „The Female Experience“ erschlossen wichtige Quellen zur Frauengeschichte. Es folgten „The Creation of Patriarchy“ und „The Creation of Feminist Consciousness“. Sie etablierte das erste Masterprogramm in Frauengeschichte und erhielt zahlreiche Auszeichnungen, spät aber doch auch ein Ehrendoktorat der Universität Wien.


Dorothea Neff (1903-1986)
Schauspielerin

Dorothea Neff begann ihre Karriere in Deutschland, ab 1939 spielte sie am Deutschen Volkstheater in Wien. 1941-1945 versteckte sie unter Lebensgefahr ihre jüdische Freundin Lili Wolff in ihrer Wohnung. Nach dem Krieg spielte sie weiter am Volkstheater, das in der Spielzeit 1962/63 mit Mutter Courage und ihre Kinder den vor dem Hintergrund des Kalten Kriegs in Österreich verhängten Brecht-Boykott durchbrach. Für ihre Darstellung in diesem Stück erhielt sie die Kainz-Medaille. Später spielte sie auch am Burgtheater und am Akademietheater. 1979 wurde sie für ihre Tapferkeit während des NS-Regimes von Yad Vashem als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt.


Lise Meitner (1878-1968)
Kernphysikerin

Lise Meitner promovierte 1905 in Wien als zweite Frau im Hauptfach Physik. 1907 ging sie nach Berlin zur weiteren Ausbildung und Forschung und wurde 1922 erste Professorin für Physik. 1933 verlor sie als Jüdin ihre Lehrbefugnis, 1938 flüchtete sie nach Schweden. Im Briefwechsel mit Otto Hahn arbeitete sie an der Entdeckung der Kernspaltung mit. Als überzeugte Pazifistin weigerte sie sich jedoch trotz mehrmaliger Aufforderung der USA, für den Bau einer Atombombe zu forschen. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte sie weder nach Österreich noch Deutschland zurück – sie konnte den Umgang mit der NS-Vergangenheit in beiden Ländern nicht akzeptieren. Der Nobelpreis blieb ihr trotz mehrmaliger Nominierung verwehrt.


Vera Schwarz (1888-1964)
Sängerin

Vera Schwarz debütierte 1908 am Theater an der Wien. Nach diversen Engagements führte sie ein Gastspiel 1921 an die Wiener Staatsoper, wo sie als lyrischer Sopran bald zum Publikumsliebling wurde. Anfang der 1930er Jahre feierte sie große Erfolge als Ensemblemitglied in Berlin und auf Opernbühnen weltweit. 1933 musste sie als Jüdin Deutschland verlassen und kehrte an die Wiener Staatsoper zurück. In einer ihrer letzten Vorstellungen sang sie hier in der Erstaufführung von Das Land des Lächelns am 30.1.1938, gemeinsam mit Richard Tauber. Nach dem Anschluss musste sie dann auch aus Österreich fliehen. Sie emigrierte in die USA. 1948 kehrte sie zurück und unterrichtete in Wien und am Salzburger Mozarteum.


Hertha Firnberg (1909-1994)
Journalistin, Politikerin

Hertha Firnberg war schon als Jugendliche sozialdemokratisch engagiert. Während des NS-Regimes arbeitete sie für einen Modeverlag. Nach dem Krieg machte sie sich einen Namen als Expertin für Sozialstatistik, -geschichte und -politik. 1963-1983 war sie SPÖ-Abgeordnete im Nationalrat, 1970 erste Ministerin für Wissenschaft und Forschung in der Regierung Kreisky. Meilensteine ihrer Tätigkeit waren die Hochschulreform 1975, die Abschaffung der Studiengebühren und die Schaffung von Stipendien. Auch als SPÖ-Frauenvorsitzende erreichte sie einschneidende Reformen wie die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs und die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter.


Hedy Lamarr (1914-2000)
Schauspielerin, Erfinderin

Hedy Lamarr begann ihre Filmkarriere in den 1930er Jahren in Österreich. 1937 wurde sie von Hollywood entdeckt und spielte dort in zahlreichen Filmen. Daneben erfand sie gemeinsam mit dem Komponisten George Antheil das Frequenzsprungverfahren. Als Gegnerin des Nationalsozialismus wollte sie es den Alliierten für die Funkfernsteuerung von Torpedos zur Verfügung stellen, das diese durch selbsttätig wechselnde Frequenzen schwer anzupeilen und weitgehend störungssicher machte. Das Verfahren wurde zwar im Krieg nicht eingesetzt, spielt heute aber eine wichtige Rolle in der Mobilfunktechnik